Das Wissen mit dem Herz verbinden

Die Diskussion rund ums Pferdewohl wird oft polarisiert geführt: Auf der einen Seite die „Gefühlstanten“, die jede Kritik an ihrer Methode als Angriff auf ihre Liebe zum Pferd werten, auf der anderen Seite die „Wissenschaftler“, die mit Daten hantieren, aber manchmal den individuellen Charakter des Pferdes ausblenden. Dazwischen stehen noch die "Traditionalisten", die alles genauso konservieren wollen, wie es anno dazumal auch schon praktiziert wurde.

Die Wahrheit liegt – wie so oft – in der Synthese.

Wissenschaft als Fundament

Lernpsychologie verstehen: Pferdegerechtes Training basiert auf den Prinzipien der operanten Konditionierung (Belohnung/Konsequenz) und muss stressfreies Lernen ermöglichen.

Biomechanik beachten: Ein Pferd kann nur gesund bleiben, wenn es sich in einer Haltung bewegt, die seinem Körperbau entspricht. Zwingen wir es in unnatürliche Positionen, riskieren wir langfristige Schäden.

Stressforschung ernst nehmen: Studien zeigen, dass chronischer Stress (durch Überforderung oder Schmerzen) nicht nur Verhaltensprobleme, sondern auch körperliche Erkrankungen verursacht.

Ethik als Kompass

Nutzen vs. Wohl abwägen: Jede Nutzung eines Pferdes – ob im Sport, in der Freizeit oder in der Therapie – muss regelmäßig hinterfragt werden: Tut dies dem Pferd wirklich gut oder rechtfertigen wir es nur, weil wir es wollen?

Individuelle Grenzen respektieren: Nicht jedes Pferd ist für jede Aufgabe geeignet. Ein sensibles Pferd gehört vielleicht nicht in den Reitschulbetrieb mit wechselnden Reitern, ein gemütliches Pferd nicht in den Hochleistungssport.

Transparenz schaffen: Ehrlichkeit über Trainingsmethoden, Gesundheitszustand und Einschränkungen des Pferdes – auch wenn es unangenehm ist.

Praktische Schritte zur Balance

Wissen aktualisieren: Die Wissenschaft entwickelt sich ständig weiter. Was vor 20 Jahren als „pferdefreundlich“ galt, ist heute eventuell bereits überholt.

Feedback des Pferdes lesen lernen: Nicht nur auf offensichtliche Signale (wie Buckeln oder Steigen) achten, sondern auch auf Mikroexpressionen (Ohrenspiel, Muskelspannung, Atmung).

Netzwerke bilden: Mit Tierärzten, Physiotherapeuten und Verhaltensforschern zusammenarbeiten, statt sich in Meinungsblasen zu verlieren.

Mut zur Lücke haben: Niemand weiß alles – aber wir können uns täglich bemühen, besser zu werden.

Inspiration

Vorbilder suchen: Es gibt Reiter und Trainer, die beweisen, dass Erfolg und Pferdewohl kein Widerspruch sind. Lernt von ihnen!

Langfristig denken: Ein Pferd, das sich wohlfühlt, ist nicht nur glücklicher, sondern auch leistungsfähiger – und bleibt es länger.

Die richtigen Fragen stellen: Statt „Wie kriege ich mein Pferd dazu, das zu tun?“ lieber fragen: „Warum möchte mein Pferd das nicht tun – und wie kann ich helfen?“

Fazit

Wissenschaft ohne Mitgefühl ist kalt, Gefühl ohne Wissen blind. Die Zukunft der Pferdeszene liegt aus meiner Sicht in der Integration beider Pole: Fundiertes Know-how, kombiniert mit dem Willen, jedem Pferd als Individuum zu begegnen.

Nur so schaffen wir eine Welt, in der Pferde nicht nur genutzt, sondern wahrhaftig wertgeschätzt werden.

Der Text ist von Marlitt Wendts Facebook-Seite.